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 Betreff des Beitrags: Nocke und Ventilspiel
BeitragVerfasst: Sa 8. Feb 2014, 11:18 
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Hallo Robert,
ich glaube, ich habe das mit den Nockenwellen und den Spielen schon mal erklärt, aber ich mache das gern auch noch mal. Vielleicht interessiert es den einen oder anderen der Neuzugänge hier.
Erst mal grundsätzlich zum Aufbau einer Erhebungskurve einer Nocke bei einem Motor mit mechanisch eingestellten Ventilspiel. Ein Nockenprofil besteht aus 4 Abschnitten.
1. Einer Anlauframpe
2. Einem Beschleunigungsabschnitt
3. Einem ersten Verzögerungsabschnitt
4. Einem zweiten Verzögerungsabschnitt
Dann sind wir an der Nockenspitze und diese Form setzt sich auf der zweiten Seite in umgekehrter Reigenfolge fort.
Bevor jetzt einer schreit, meine Nockenwelle hat aber eine asymmetrische Form, gemach, die Erklärung kommt später.
Was machen diese Abschnitte?
Der Erste sorgt dafür, dass alle im Ventiltrieb beteiligten Teile ohne Ruck und Beschleunigung kraftschlüssig sind. Jetzt bekommt das Ventil im nächsten Abschnitt die einzige Öffnungsbeschleunigung. Einerseits so schnell, dass der Ventilquerschnitt so schnell und soweit wie möglich öffnet, andererseits so langsam, dass das Ventil bei dieser Beschleunigung und Höchstdrehzahl nicht dem Kolben folgt, sondern dem Nockenprofil. Die beiden letzten Abschnitte sorgen dafür, dass das Ventil sich mit Hilfe der Ventilfeder bis zum Stillstand im Umkehrpunkt beruhigt. Die Beschleunigungsphase bestimmt allein, welche Ventilfeder gefahren werden muss, denn nur in diesem Bereich kommt es zum Abheben bei Höchstdrehzahl wenn die Feder zu schwach ist. Danach nimmt die Federkraft weiter zu, was aber eigentlich unerwünscht ist, da nun auch die Flächenpressung zunimmt, was sowohl der Nocke als auch dem Nockenfolger auf Dauer schadet. Also, ran und eine degressive Feder erfinden.
Bei einem Ventiltrieb mit hydraulischem Ventilspielausgleich hat die Nockenwelle KEINE Anlauframpe. Hier ist der Nocken immer mit dem Nockenfolger kraftschlüssig. Das geschieht durch Ausgleichsbohrungen, die dafür sorgen, dass bei geschlossenem Ventil Öl nachfließen kann (hört man häufig bei älteren Motoren mit hydr. Ausgleich wenn der Motor gestartet wird und sich dieser Ausgleichsraum noch füllt). Dehnen sich die Teile durch Wärme aus, kann das überschüssige Öl auch wieder den Ausgleichsraum verlassen.
Merke, nie eine Hydrowelle in einen Kopf mit mechanischem Ventilspiel oder umgekehrt. Kurz erklärt was passieren würde.
Mechanische Nocke in Hydro-Kopf:
Die Anlauframpe würde immer mit ihrer gesamten Form, die ja eigentlich nur die Teile kraftschlüssig bringen soll, das Ventil öffnen. Das würde bedeuten ganz langsam. Hat die Folge, dass die heißen Abgase wie eine Schweißflamme zwischen Ventil und Ventilsitz durch pfeifen und in Kürze ist das Ventil verbrannt.
Hydronocke in Mechanik-Kopf.
Da es KEINE Rampe gibt, würde man das Ventilspiel in dem Beschleunigungsabschnitt einstellen. Folge, das Ventil würde schlagartig geöffnet, was dann wie ein Hammerwerk klingt. Außerdem wären die Beschleunigungsspitzen so hoch, dass es schnell zum Ventilflattern käme.
Kurz den Unterschied zwischen Nockenform und Erhebungskurve erklärt.
Die Erhebungskurve wird für den Motor und dessen Einsatzzweck berechnet (siehe oben die einzelnen Abschnitte). Die Nockenform ergibt sich aus der Ventilsteuerung.
Nocke auf Tasse (typischerweise bei vielen Sportmotoren) Nockenform ist symmetrisch, weil der Nockenfolger eine ebene Fläche ist.
Nocken auf Schlepp- oder Kipphebel, Nockenform ist asymmetrisch, weil der Nocken über den Radius ständig ein anderes Übersetzungsverhältnis beschreibt. Wichtig ist bei beiden Systemen, dass die Erhebungskurve symmetrisch bleibt.
Warum hat der SpeedSix Schlepphebel statt Tassen?
Zwei Gründe:
1. Es lassen sich engere Ventilwinkel verwirklichen, da die Tassen sich irgendwann im Wege wären.
2. Und das ist der wichtigere Grund, das Gewicht. Wurden früher in der Formel Eins auch Tassen gefahren, so sind es heute ausnahmslos Schlepphebel.
Der Grund ist folgender. Die Tassen müssen eine Mindestlänge wegen der Führung in der Tassenbohrung haben und einen Mindestdurchmesser, damit der Nocken beim Überfahren des Nockens immer eindeutig die Fläche berührt, was bei der Stellung 45° den größten Bedarf hat. Dadurch sind schnell die Grenzen der Gewichtsreduzierung bei der Tasse erreicht. Auch wenn man zur Spieleinstellung nur kleine Shims innerhalb der Tasse auswechselt (System Alfa) anstatt Einstellpatten zwischen Tasse und Nocke (System VW).
Der Schlepphebel der ja auf der Schlepphebelwelle gelagert ist, kommt als oszillierende Masse nur zur Hälfte zum Tragen. Kann im Extremfall in Alu oder Titan( dann muss er aber eine Bronzebuchse an der Schlepphebelwelle haben, da Titan schnell zum Fressen neigt) ausgeführt werden und nur an der Berührungsfläche mit dem Nocken in Hartschalenguss oder Hartmetall verstärkt werden. Einstellung des Ventilspiels mittel kleiner Shims, wie beim TVR ist das Optimum.
Warum Ventilspiel einstellen bei mechanischem Ventiltrieb?
Die Anlauframpe wird je nach Motor so ausgelegt, dass sie bis zu 0,5mm ausgelegt und über 20°-30° Drehwinkel berechnet ist. Bei Sport-und Rennmotoren sind das 0,2-03mm und 10°-20° Drehwinkel. Die Angabe für die Einstellung beschreibt in der Regel genau den Mittelwert. Da die Auslassseite wärmer wird, ist dort die Rampe etwas größer. Zweck ist, kalter Motor, viel Spiel, trotzdem kein tickern. Warmer Motor alle Teile auf Größtmaß und trotzdem sitzen die Ventile im Ventilsitz und Nocke hat immer noch geringes Spiel zum Nockenfolger.
Ergo, nicht die Thousends of an inch suchen, es kommt nicht auf die letzten Hunderstel an. 5/100mm Abstufung reicht völlig aus.
Warum muss ich das Ventilspiel einstellen?
Bei den üblichen Motoren, wir reden immer noch über die mechanische Ventilspieleinstellung, vergrößert sich das Ventilspiel im normalen Betrieb, weil sich Ablagerungen am Ventilsitz und Ventil absetzen. Somit sitzt das Ventil tiefer im Brennraum. Was den Anstand zum Nockenfolger vergrößert.
Beim SpeedSix, einer der schönsten Motoren die Motorwelt je gesehen hat, bestehen die Ventilsitze aus einer Beryllium-Legierung. Hochgradig giftig und krebserregend aber ein Supermaterial was die Wärmeabfuhr angeht (schon immer das Vorzugsmaterial in der Formel eins, aber wegen der Giftigkeit jetzt verboten). Leider ist die Legierung, nicht das Beryllium, wegen dem Kupferzusatz etwas weicher, als die handelsüblichen Sitzmaterialien. Somit verdichtet sich das Material noch etwas im Betrieb und das Ventilspiel kann sich deshalb verringern.
Zu der Giftigkeit, das gilt für eingeatmeten Stäube und nicht für die Späne selbst, die bei der Bearbeitung entstehen.
Wenn noch Fragen sind, nur zu.

Gruß
Helmut

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 Betreff des Beitrags: Re: Nocke und Ventilspiel
BeitragVerfasst: Sa 8. Feb 2014, 14:34 
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Robert,
es gibt hier einige Leute, die beim Rebuilt die Sitze getauscht haben. Die können sicher mehr dazu sagen.
Ich für mein Teil würde immer die Sitzringe verwenden, die der Konstrukteur mal erdacht hat, da ich unterstelle, dass der gesamte Wärmehaushalt des Kopfes darauf ausgelegt ist.

Gruß
Helmut

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 Betreff des Beitrags: Re: Nocke und Ventilspiel
BeitragVerfasst: Sa 8. Feb 2014, 16:14 
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Lao Ma hat geschrieben:
Robert,
es gibt hier einige Leute, die beim Rebuilt die Sitze getauscht haben. Die können sicher mehr dazu sagen.
Ich für mein Teil würde immer die Sitzringe verwenden, die der Konstrukteur mal erdacht hat, da ich unterstelle, dass der gesamte Wärmehaushalt des Kopfes darauf ausgelegt ist.

Gruß
Helmut



Helmut, stimme Dir zu. Die TVR Ventilsitzringe sind besser als ihr Ruf.

Meine in den letzten Jahren mit vielen SP6 Motoren gemachten Erfahrungen haben gezeigt, daß bei verschlissenen Sitzringen immer ausgeschlagene Ventilschaftführungen die Ursache waren. In einem Fall hatten die Ventile in einer Achse bis zu 8mm Spiel. Die dazugehörigen Ventilsitze wurden dabei regelrecht zerschlagen.

Bei intakten Ventilschaftführungen habe ich nie Probleme mit den originalen Ventilsitzen gesehen.

Gruß
Eckhard


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 Betreff des Beitrags: Re: Nocke und Ventilspiel
BeitragVerfasst: Sa 8. Feb 2014, 20:03 
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Dake Helmut,
für die mal wieder ausführliche Darstellung. So was lese ich gerne.
Grüße,
Björn.

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"Männer aus Stahl fahren Autos aus Plastik."


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 Betreff des Beitrags: Re: Nocke und Ventilspiel
BeitragVerfasst: So 9. Feb 2014, 07:29 
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Typ: Tuscan V6 RHD
Motor: Essex 3L V6
Baujahr: 1970. (VERKAUFT UND DAS LEIDER NACH MONZA)

Nun in der Obhut vom Dirk, so kommt der auch mal ans fahren und muss nicht nur schrauben :o):
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Motor: Essex V6
Baujahr: 1980

Zugelaufen:
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Hallo Helmut,
toll und sehr verständlich beschrieben, schön zu lesen, meine Hochachtung.

Ich bin ein bekennender Umbauer. ;) Ich habe vor einigen Jahren einen Kopf auf Stahlsitze umgebaut und bin auch heute noch davon überzeugt.
Auf 60000 Km ergab sich beim jeweiligen prüfen des Ventilspiels keine Veränderung des Spiels, ich tauschte lediglich angegriffene Shims aus.

Das Problem der verschlissenen Ventilführungen sehe ich ähnlich wie Eckhard, diese Originalteile verursachen wohl nicht alle aber einen Großteil der Sitzdeformierungen bei den Originalsitzen. Es gibt laut TVR-Power daher wohl auch schon länger eine neue "verbesserte" Ausführung der Führungen, eine aus einem anderen Material. Diese habe ich seinerzeit verwendet und werde beizeiten was dazu mitteilen können.

Auch einen Vorteil der Stahlsitze sehe ich im Falle das die Führungen getauscht werden müssen, dann brauche ich keine Ventilsitze tauschen da diese, davon bin ich überzeugt, nicht beschädigt sind.

Man kann aber auch die Meinung vertreten, wenn Kopf dann alles, dann rein mit den Originalsitzen. Hier habe ich noch einen Tipp für mutige Leistungsfanatiker, die Ventile der MZ1000 habe identische Baumaße wie die im S6, lediglich die Ventilschäfte sind 1 mm kleiner im Durchmesser, was im Ventiltrieb eine Menge Gewicht einspart. ;)

Ich erinnere mich noch lebhaft an die Diskussion mit meinen Freunden Piet und Roger in der es darum ging was wir an dem S6 Kopf umbauen sollten. Roger war für den Austausch der Bauteile die gelitten hatten, Piet für die gesamte Auslassseite (nur hier waren Beschädigungen an den Sitzen) und ich wollte wie immer ALLES und habe mich durchgesetzt. Heute bin ich, im Bezug auf diesen S6 Kopf, ganz der Meinung von Roger, tauschen was muss.

Nun noch schnell meine Lieblingszeile aus Helmuts Post:
"Beim SpeedSix, einem der schönsten Motoren den die Motorwelt je gesehen hat"

Hat er das nicht schön gesagt? :P
:mrgreen:

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Gruss,
Woki, Laird of Glencairn, Koenig von Ubatuba!

Geht nicht gibts nicht, geht nur so nicht!!!!


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 Betreff des Beitrags: Re: Nocke und Ventilspiel
BeitragVerfasst: Mo 10. Feb 2014, 18:16 
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Klasse Ausführung, Helmut, wieder was gelernt! DANKE!!

Wie stellt man eigentlich das Ventilspiel ein? Bei kaltem oder bei warmem Motor?

PS: hab mich gerade durch den Ventileinstellthread für den S6 gelesen, da wird ganz klar "kalt" gesagt da ja auch die Einstellwerte für den kalten Motor gelten. Wie sieht es aber bei Motoren aus bei denen beide Werte, kalt und warm angegeben sind?

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Graf von Montfort

3000M Bj. 1977 "The Legend"

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 Betreff des Beitrags: Re: Nocke und Ventilspiel
BeitragVerfasst: Mo 10. Feb 2014, 18:55 
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Hallo Joachim,
würde ich immer kalt einstellen. Kalt einstellen üblicherweise so um die 15-25°C gemütliche Schraubertemperatur.
Bei warm gibt es, zumindest mir nicht bekannt, keine Temperaturangabe. Direkt nach einer schönen Ausfahrt, wird wohl keiner den Motor anfassen wollen. Also abkühlen lassen aber auf welche "Warm"temperatur? Ich kenne es nur bei kaltem Motor und dabei bleib ich. ;)

Gruß
Helmut

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